Achtsamkeit – warum beschäftigen wir uns mit ihr?
(ein Kurzbeitrag von Dr. Avelina Lovis)
Achtsamkeit kann uns davor bewahren, unkluge Entscheidungen zu treffen, ja sogar Unfälle und Gefahren reduzieren und nachhaltig unser Leben in eine positive Richtung lenken.
Was ist Achtsamkeit?
Nach Definitionen von verschiedenen Experten und Expertinnen, ist die Achtsamkeit ein erlernter Geisteszustand, der den Fokus auf das wertfreie Beobachten der gegenwärtigen Erfahrungen ermöglicht (Baer et al., 2006) und dabei die Akzeptanz von inneren und äußeren Vorgängen bewirken kann (Roemer et al., 2015).
Achtsame Menschen seien zufriedener, ausgeglichener und entspannter! Aber können sie auch mit unangenehmen Gefühlen besser umgehen als weniger achtsame Menschen? So einfach ist das nicht zu beantworten! Die Achtsamkeit ist ein Übungsprozess, der keinen Endzustand kennt. Eine Person ist demnach nicht achtsam – ja oder nein – sondern eher mal so, mal so. Was wir aus Studien dazu wissen: Achtsamkeit hat einen positiven Einfluss auf die Emotionsregulation (Hill & Updegraff, 2012), das Training zur Steigerung der Achtsamkeit fördert das Bewusstsein für emotionale Prozesse (Erisman & Roemer, 2010), lindert die emotionale Reaktivität (Personen reagieren weniger impulsiv) und sind emotional weniger labil (sie schwanken weniger in ihren Gefühlszuständen; Linehan et al., 2007).
Um zu verstehen, warum das so ist, schauen wir uns die Gefühle ein wenig genauer an.
Gefühle sind immer ein Cocktail aus verschiedenen Zutaten: einen Liter Lebensgeschichte (Yan et al., 2021), eine Handvoll Bedürfnisse und eine Tasse subjektive Bewertung (Feldman- Barrett, 2009).
Gefühle haben eine wichtige kommunikative Funktion
Gefühle teilen uns mit, welche Bedeutung wir den Dingen geben und in wie weit unsere Bedürfnisse gerade erfüllt sind (angenehme Gefühle) oder eben auch nicht (unangenehme Gefühle). Um unangenehme Gefühle wieder auflösen zu können, brauchen wir eine bedingungslos wohlwollende Haltung ihnen gegenüber. Das heißt, wir sollten sie achtsam (wertfrei) wahrnehmen und uns darüber im Klaren sein, dass in ihnen stets eine bedeutsame Botschaft über unsere Bedürfnisse und unsere vorausgegangenen Erfahrungen steckt. Wenn wir es verstehen, sie richtig zu deuten, dann können wir auch das Richtige tun, um ihnen gerecht zu werden.
Wir sehen schon, Achtsamkeit ist eine Hilfestellung, unangenehme Gefühle wahrzunehmen und sie aus einer gewissen Distanz zu beobachten (Guendelman et al., 2017). Das „one and only“ ist sie jedoch nicht: Um Gefühle zu verstehen und letztlich sie loszulassen, braucht es eine Prise emotionaler Kompetenz, letztlich eine damit eng verbundene Eigenschaft, die darüber entscheidet, wie einfühlsam wir auf unsere Gefühle eingehen (Lovis-Schmidt, 2021).
Es kann schon einen echten Aha-Effekt bewirken, wenn wir endlich merken, was hinter unserer Wut, unserer Angst, unserer Hilflosigkeit oder unseren Schuldgefühlen steckt und wir uns dann viel angemessener auf die damit verbundenen Bedürfnisse beziehen können. Diese Erkenntnisse können uns dann auch in zukünftigen Situationen helfen, in unseren Gefühlen die richtige Botschaft zu erkennen und auf sie zu reagieren.
Was können wir daraus lernen?
Wenn Du ein heftiges Gefühl verspürst, nimm dir erst einmal ein bisschen Zeit, um einmal achtsam darauf zu schauen, was es dir mitteilen wollte. Eine Hilfe kann es sein, nicht im emotionalen Moment selbst drauf zu schauen, sondern erst, wenn die Gefühle wieder verebbt sind; denn meistens sind wir mit heftigen Gefühle nicht imstande dazu, vernünftige Entscheidungen zu treffen (Cantelon et al., 2019). Und wenn es nicht gleich gelingt – Bleib dran!
Es ist ein Übungsprozess, der deinen Gefühlen gegenüber Achtsamkeit, Wohlwollen, Verständnis und Kompetenz und natürlich auch Geduld erfordert!
Es lohnt sich, du wirst dich selbst nicht nur besser verstehen und leiden können, sondern du wirst dich auch Anderen gegenüber besser verständlich machen können, weniger Stress erleben und dich auch langfristig zufriedener und gesünder fühlen! Ja – da staunst du, was? Wenn du dazu mehr erfahren möchtest, dann schau doch gern mal in der Fühlerei vorbei. Da gibt es Übungen im Umgang mit unangenehmen Gefühlen. Es ist für Alle etwas dabei! Probier gern mal eine Übung aus.
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Über die Gastautorin Dr. Avelina Lovis:
Avelina Lovis ist promovierte Psychologin und beschäftigt sich in ihren Forschungsprojekten seit einigen Jahren mit Emotionen, Stressreduktion und Achtsamkeit. Dabei ist ihr klar: Forschung hat klare Grenzen und ist nur für eine bestimmte Zielgruppe gewinnbringend – Menschen außerhalb dieser theoretischen Welt wollen etwas tun und Hilfestellungen rund ums Thema „Gefühle“ bekommen. Neben der Tätigkeit an der Uni hat Avelina nun den Schritt ins Ungewisse gewagt: in die Selbstständigkeit. Im Dezember 2021 gründete sie das Kleinunternehmen „Fühlerei“ und bietet hier digitale Übungen im Umgang mit unangenehmen Gefühlen an. Für kleine Preise sind hier Übungen für Einzelpersonen, Kleingruppen, Eltern und Liebespaare zu finden.
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Literatur
Baer, R. A., Smith, G., Hopkins, J., Krietemeyer, J., & Toney, L. (2006). Using self-report assessment methods to explore facets of mindfulness. Assessment, 13, 27–45. https://doi.org/10.1177/1073191105283504
Cantelon, J. A., Giles, G. E., Eddy, M. D., Haga, Z., Mahoney, C. R., Taylor, H. A., & Davis, F. C. (2019). Exerting cognitive control under threat: Interactive effects of physical and emotional stress. Emotion, 19(7), 1236–1243. https://doi.org/10.1037/emo0000509
Erisman, S. M., & Roemer, L. (2010). A preliminary Investigation of the effects of experimentally induced mindfulness on emotion responding to film clips. Emotion, 10, 72– 82. https://doi.org/10.1037/a0017162
Feldman-Barrett, L. (2009). Variety is the spice of life: A psychological construction approach to understanding variability in emotion. Cognition and Emotion, 23, 1284–1306. https://doi.org/10.1080/02699930902985894
Guendelman, S., Medeiros, S., & Rampes, H. (2017). Mindfulness and emotion regulation: Insights from neurobiological, psychological, and clinical studies. Frontiers in Psychology, 220, 1–23. https://doi.org/10.3389/fpsyg.2017.00220
Hill, C. L., & Updegraff, J. A. (2012). Mindfulness and its relationship to emotional regulation. Emotion, 12(1), 81–90. https://doi.org/10.1037/a0026355
Linehan, M. M., Bohus, M., & Lynch, T. (2007). Dialectical behavior therapy for pervasive emotion dysregulation. In J. J. Gross (Ed.), Handbook of emotion regulation (pp. 581– 605). Guilford Press.
Lovis-Schmidt, A. (2021). Emotional development, training of emotional competence and physical diseases. Dissertation an der TU Chemnitz, veröffentlicht über Monarch. Zugriff über https://monarch.qucosa.de/landing- page/?tx_dlf[id]=https%3A%2F%2Fmonarch.qucosa.de%2Fapi%2Fqucosa%253A76 965%2Fmets
Roemer, L., Williston, S. K., & Rollins, L. G. (2015). Mindfulness and emotion regulation. Current Opinion in Psychology, 3, 52–57. https://doi.org/10.1016/j.copsyc.2015.02.006
Yan, J. J., Schoppe-Sullivan, S., Wu, Q., & Han, Z. R. (2021). Associations from parental mindfulness and emotion regulation to child emotion regulation through parenting: The moderating role of co-parenting in Chinese families. Mindfulness, 12(6), 1513– 1523. https://doi.org/10.1007/s12671-021-01619-3